ELKE DE WITT

*18.09.1948 in Bochum, Ausbildung am Industrie- Dolmetscher-Institut Frankfurt, Tätigkeit  als Chefsekretärin, seit fast einem halben Jahrhundert Fischersfrau in Dornumersiel. Die Schreiberei ist eigentlich mehr Nebensache, denn sie ist eigentlich vollauf beschäftigt mit:  1 Ehemann, 2  Kindern, 3 Enkeln,  Segelboot,  Rasenmäher,  Staffelei.  Redet wenig, beobachtet gern still und ist stets aufs Neue fasziniert von Skurrilem, Bizarrem in zwischenmenschlichen Beziehungen.

 

 Veröffentlichungen

Plattdeutsche Beitrage im „KURIER“  (ab 1974)
Ostfriesen-Allerlei ( Falken Verlag  1976)
PIPELINE – Roman (Utrooper Verlag 1995)
Norwegian Elephants, Deutsch-Englischer Lernschmöker (Langenscheidt 2007)
Vorsicht - bissige Frau - Roman (Verlag Kern, Bayreuth 2010)

Plattdeutsche Kurzgeschichten und Lyrik in verschiedenen Anthologien:

NDR Plattdeutsche Reihe: "De schöönste Dag" 2009
NDR Plattdeutsche Reihe: "Hartpukkern" 2010
Ruugfröst Sötesnuut (Diesel 2011)
Maskendanz (Diesel 2011)
Wo die Weite wohnt (Hamburger Haiku Verlag 2012)

 

VORSICHT, BISSIGE FRAU 

Lassen Sie sich nicht von der friedlichen Katzen-Idylle auf dem Cover-Bild täuschen. Dieses hübsche Häuschen erzählt die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zweier Frauen, die in einer alternativen Lebensgemeinschaft mit Kind über Jahrzehnte besteht, obwohl sie beide denselben Mann lieben. Das Schicksal der unerschrockenen Freundinnen ist aber auch durch gemeinsam erlebte traumatische Ereignisse in ihrer Kindheit miteinander verwoben. Das Drama fängt an mit einem wackeligen Milchzahn, von einer Sechsjährigen in heftiger Gegenwehr an einer Stelle versenkt, die für Kinder tabu sein sollte, und es endet tödlich in einem dilettantischen Rachefeldzug. Unter diesem Reetdach geht es um Inzest, um Kindesmissbrauch, um Schuld und Sühne. Der Leser wird hin- und hergerissen zwischen Melancholie und Groteske in einer spannenden Liebesgeschichte besonderer Art.

 

 

Textprobe

 

HARTSEHR

Ik kann’t noch heel neet glöven. Mien lüttje Hurrelwind, de Bine, up Kneen vör de Altar, in ehr slichte witte Kleed. War is de Tied blot bleeven?

Ik weet dat noch, as weer dat güstern  west:  Lüttje Bine weer s’middags na Huus kamen, harr ehr Knappsack bi de Huusdöör in ‘t Eck smeten un de Gummistevels weern glieks achteran flogen. Un denn gung se haast över’t Stag bi ‘t Vertellen: Se weer rein weg west van de Fent, de Erhan. He harr swatte Haar, swarm se van hum. Un so grote dunkelbrune Ogen, mit dicke swatte Wimpern. Un sien Huud weer so mooi bruun. Un wenn he lach, denn kreeg he twee so lüttje Dölkes in sien Wangen. He kunn rennen as de Düvel, nümms kunn hum fangen, wiel he so fell weer.

“Un weetst Du, wat he vandaag maakt hett? Vandaag is he in de olle Karsenboom  bi de Spöölplatz rinklautert, wat doch verboden is, un de Fru Menken, de kunn hum da nooit weer runner kriegen. De oll Fru kunn da ja neet anhoog klautern. Un denn hett se unner de Boom stahn un weer an futern. Man Erhan is boven bleven.  Fru Menken muss hum eerst verspreken, dat se uphollen dee mit Schellen, denn is he da eerst weer runnerkamen.”

Fru Menken weer de Kinnergörnerin. Un se weer man Anfang dartig. Un ik doch mi damaals, dat ik de ehr Job würkelk neet hebben wull.

En paar Weken later weer Bine krank. Wull s’mörgens neet upstahn, wull neet in d’ Kinnergaarn. Ik sull kamen to babysitten, wiel de jung Lüüd hen to arbeiten mussen. Lüttje Bine sükel  da man wat blass in ehr Küssens, man se harr keen Fever un ok keen Utslag. Ik hebb ehr Pudding kookt un de an’t Bett brocht, un denn hebb ik ehr Geschichten vörlesen. Man denn wurr ehr dat to langwielig in’t Bett, un se wull upstahn. Bi’t Kartuvvels schillen hett se mi denn ehr lüttje Hart utschütt.

“Ik will neet mehr in ‘t Kinnergaarn gahn. Nooit.”

“Worum dat denn neet?”

“Wiel Erhan daar ok neet mehr kummt.”

“ Is he weer in de Karssenboom klautert un Fru Menken hett hum seggt, he sull man beter  in ’t Huus blieven, wenn he immer so’n Undöögt weer?”

“Nee, he kummt neet mehr, wegen mi, dat hett sien Vader seggt.”

“Wegen DI?”

“Ja, wiel ik hum tuutjet hebb. Un dat deiht en anstännigen Wicht neet, hett Erhans Vader seggt.”

“Du hest hum tuutjet?”

“Ja, wiel ik hum so gern hebb. Ik wull hum dat wiesen, dat ik hum good lieden mag. Un da hebb ik hum in Arm namen un hum up sien Back tuutjet.”

“Eenfach so?”

“Nee, vördeem hebb ik hum mien Tupperdöös mit de Ierdbeeren gäven, de hett he heel alleen utlepelt, hett mi nix över laten.  Un de Week daarvör harr ik hum de Flummiball schunken.”

“Wat? De mooje Flummiball, de so hoog jumpen deit, wenn ‘n de up Grund smieten deiht? De ik di schunken harr un waar anners nümms un nooit mit spölen düürs?”

“Ja. Oma, Ik hebb mi docht, nu mutt he doch marken, dat ik hum gern lieden mag .”

“Man he hett nix seggt?”

“Nee. Neet maal Danke. Is wegrennt, hett mit de anner Jungs rumtoovt. Un de Ball liggt nu in d’ Kinnergaarn in de Regengööt.”

“Un denn hest du di docht, wenn he nu immer noch neet marken deiht, dat du hum gern hest, denn drückst du hum maal un giffst hum en Tuutje?”

“Ja. Man da hett he sük de Back mit de Ärmel afwischt un “Bäää” seggt un denn is he wegrennt. Un nu hett sien Vader hum van ‘t Kinnergaarn afmellt.”

Dat weer neet licht, ehr Trannen to drögen. Ik hebb ehr wat vertellt van de anner Kultur, mit de Erhan upwassen dee, man dat dat ok hier in Dütsland noch in mien Kinner tied neet  gang un geve weer, dat en Froominsch so eenfach en Mann tuutjen dee. Dat Hart dee mi sehr daarbie: Man ik hebb wat van Sachtigheid proot, van Töven kannen, van  Torügghollen. Un överhaupt: Dat’n vörsichtig wesen mutt, wiel mennig Lüüd sük neet gern anfaten laten, un dat lüttje Jungs sük faken vör de anner Jungs schamen, wenn se mit Wichter spölen, un wat neet allns. Man ook, dat en Jung, de ehr nix van ehr Ierdbeeren över laten deiht, sowieso keen Tuutje wert is.  Fru Menken un Bines Öllern hebbn nars ok noch heel sinnig mit Bine un denn ok mit Erhans Vader proot, un de beid  Kinner sünd denn noch een Jahr mitnanner  in de Kinnergaarn un naast ok veer Jahr in d’ School gahn. Bine hett Psychologie studeert un Erhan is vandaag Chefsteward up ein Aida-Damper un tuutjet t in elke Haven en annern Bruut.

“Ik will” hett Bine netterkraad seggt. Un ehr Brügam eit ehr daarbi van d’ Sied mit sien Ogen un leggt denn sacht sien Hannen up ehr Schullers un  tuutjet ehr up Steern, Nöös un denn up de Mund. Wat ‘n smucken Kerl he doch is, mit sien swatte Haar, sien swatte Ogen un sien brune Huud un de Dölkes in sien Wangen, wenn he lacht!

Naast bi de grote Hochtiedssmuus kann ik sehn, war he de Schötel mit sien Naspies na sien Fro hen schuuvt. Wat is dat doch en leeven Mann, denk ik noch.

Bine sücht mi an, un as wenn se wuss, warhen mien Gedanken jüst utspoort weern, smüüstert se mi to:

“He is allergisch tegen Ierdbeeren.”


Elke de Witt, Dornumersiel, Mai 2014